Dieser Artikel erschien zuerst beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe.
In Hagen-Hohenlimburg arbeiten bei Springtec, Schrimpf & Schöneberg behinderte und nicht behinderte Menschen eng zusammen
Bei Knut Schuster war es der Vater, der ihm klarmachte, dass Menschen mit Behinderungen ebenso große Chancen wie nichtbehinderte Menschen haben sollten. Schon, weil sein Papa an einer offenen Tuberkulose litt und eine Wirbelsäulenverkrümmung sowie eine dementsprechende Körperhaltung hatte. „Wenn die anderen Kinder mir mal sagten, dass er sich aber komisch bewegen würde, habe ich immer nur geantwortet, dass er genauso ein Vater wie alle anderen ist“, erinnert sich der 41-Jährige, der in Hagen-Hohenlimburg die Geschäfte der Springtec Group, Schrimpf und Schöneberg führt. Deshalb, so sagt er heute, ist es für ihn auch selbstverständlich, dass in seinem Unternehmen, das Federn aus Stahldraht und andere Stanz- und Biegeteile für die Auto-, Luftfahrt-, Elektrotechnik- und Sanitärindustrie herstellt, Menschen mit Handicaps arbeiten.
Sascha Thiele ist einer der 16 behinderten Mitarbeiter, die in der Integrationsabteilung des Unternehmens einen festen Arbeitsplatz haben. In der Halle, in der der 32-Jährige tätig ist, spucken Dutzende Maschinen im Sekundentakt Federn aus, dreifach, fünffach, zehnfach gedreht, abgewinkelt, gestanzt, zwischen einigen Millimetern und mehreren Zentimetern groß. Thiele stellt sie mit geübtem Griff in ausgebohrte Löcher eines runden Stahltellers, der sich unaufhörlich dreht. In der Maschine fährt ein Schleifteller über die Federn und nivelliert sie, so dass sie an beiden Seiten eben werden. Penibel achtet er darauf, dass alle Löcher besetzt sind und die Federn gerade stehen.
Sascha Thiele hat die Sonderschule besucht und dann im Integrationsunternehmen Prointegration – ebenfalls in Hagen-Hohenlimburg – eine Lehre zum Gärtner gemacht. Nur: Danach hat er mehrfach den Arbeitgeber gewechselt. „Das hat oft nicht gepasst“, sagt Thiele, der „langsamer lernt als andere“, wie er selbst sagt. Er scheint lange für jede Antwort zu überlegen, wirkt schüchtern. Bei Springtec gilt Thiele als „zuverlässig und sehr akkurat“. Einen Führerschein hat er auch. Den hatte er schon im ersten Job gemacht.
Thiele ist integriert, „komplett“, wie Knut Schuster stolz erzählt. Die Männer und Frauen mit psychischen oder körperlichen Behinderungen sind ein selbstverständlicher Teil der 70-köpfigen Belegschaft am Standort geworden. „Am Anfang haben sich die Kollegen zwar erst einmal beäugt“, erinnert sich der dreifache Vater Schuster an die Gründung der Integrationsabteilung 2009, die das LWL-Integrationsamt Westfalen sowie das NRW-Landesprogramm „Integration unternehmen!“ investiv förderten. „Mit der Gewohnheit aber fielen alle Schranken“, erzählt er. „Heute haben sich Fahrgemeinschaften gebildet, hilft einer mit Lkw-Führerschein dem behinderten Kollegen beim Umzug, verbringen Mitarbeiter mit und ohne Behinderung die Mittagspause gemeinsam.“
Den Kontakt zu Springtec verdankt Sascha Thiele einer Betreuerin, die ihn schon während der Lehre begleitet hatte. „Sie hat mir von der Arbeit hier erzählt und ist mit mir auch zum Vorstellungsgespräch gegangen“, sagt Thiele und nickt. Ja, er ist noch immer zufrieden bei Springtec. „Der Job hier gefällt mir gut“, sagt er, mehr Geld verdiene er auch. Er fühle sich wohl im Team und mit seinen Chefs.
Das klingt nach einem gelungenen Start, bedeutet aber auch viel Arbeit, macht Knut Schuster klar. Für die 16 Kollegen mit Behinderung ist in der Verwaltung vor allem Monika Gloerfeld zuständig. „Bei manchen weiß ich zum Beispiel, dass es ihnen sehr gut tut, wenn ich sie alle paar Tage anspreche und nach ihrem Wohlbefinden frage“, berichtet die 59-Jährige, die Industriekauffrau gelernt hat und später Mutter-Kind-Kuren organisierte. „Ich bin deswegen öfter als üblich auch mal in der Produktion unterwegs, unterhalte mich mit den Kollegen und schaffe so eine angenehme Atmosphäre.“
Sascha Thiele führt Monika Gloerfeld gerne als Beispiel an. „Da zeigt sich, was es ausmacht, wenn ein Mitarbeiter an der richtigen Stelle eingesetzt wird und ihm seine Arbeit zusagt.“ Sie freut sich, wenn Arbeit und Mensch zueinander passen. „Bei unseren behinderten Mitarbeitern ist der Krankenstand zwar leicht höher als bei den nichtbehinderten“, sagt sie verständnisvoll, „weil viele Kollegen nun mal eine angeschlagene Gesundheit haben.“ Sascha Thiele aber hat in zwei Jahren kein einziges Mal gefehlt.
Den gehandicapten Kollegen bedeute die Arbeit viel, ergänzt sein Chef. „Wenn die Leute erst einmal bei uns anfangen, dann bleiben sie auch“, sagt Knut Schuster, der ein drei- bis vierwöchiges Praktikum vor die Festeinstellung setzt. „Beide Seiten müssen sehen, ob sie zueinander passen. Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen, das im harten Wettbewerb steht. Da können wir es uns nicht erlauben, dass unsere Mitarbeiter ständig wechseln.“
Die Entscheidung für die Integrationsabteilung bei Springtec sei auch aus unternehmerischen Gründen gefallen – „die Alternative wären Arbeitsplätze im Ausland gewesen, die aber wohl nicht die Qualität hervorgebracht hätten, die wir benötigen.“ Dass sie eine Integrationsabteilung gegründet haben, bereuen Schuster und sein Mitgeschäftsführer Jürgen Hammermeister nicht. Ein Grund für das Gelingen: Das Unternehmen arbeitet seit mehr als 15 Jahren mit den Iserlohner Werkstätten für Menschen mit Behinderung zusammen. 2003 richtete die Springtec-Group in den eigenen Hallen Außenarbeitsplätze der Werkstatt ein, aus denen auch mit Hilfe des vom LWL bezahlten Integrationsfachdienstes Hagen die Integrationsabteilung erwachsen ist.
Wobei die Inklusion in der Springtec-Group sogar noch weiter geht. „Wir lassen unsere Mitarbeiter mit und ohne Behinderung in den Abteilungen an den gleichen Maschinen rotieren“, sagt Schuster. „Auf diese Weise wächst das Team noch besser zusammen.“